Wednesday, January 03, 2007

Sprachprobleme?

Ich bin Dialektanpasserin. In meiner Zeit in Hannover sprach ich Hochdeutsch, sagte „viertel vor zwölf“ statt „dreiviertel zwölf“ und „krökeln“, wenn ich kickern meinte. Telefoniere ich mit meiner Chefin, genauer gesagt der Nachhilfeinstitutschefin, dann verfalle ich in diesen Dresdner-Umland-Singsang. Außerdem verdreifacht sich die Benutzungsrate des schönen Wortes „Nu“, welches in diesen Gefilden für jegliche Art der Zustimmung benutzt wird, um es für die Wessis unter meinen Lesern mal zu erklären – schließlich sorgt „Nu“ gern für Missverständnisse, da es in weiten Teilen Deutschlands als Variante von „Nö“ gedeutet und somit komplett falsch verstanden wird. Und auch Berlin wird meiner Aussprache nicht gut tun, denn nach den drei Tagen Urlaub vor ein paar Jahren hab ick och janz komisch geredet.


Die Wurzeln dieser Macke liegen – wie immer – in frühester Kindheit begraben. Wir haben nämlich Verwandte im Sauerland. Die Cousine meiner Oma ist irgendwann dahin ausgewandert und hat eine ganze Sippschaft herangezogen. Einer ihrer Söhne ist etwa im Alter meiner Eltern, und so kam es, dass er uns hin und wieder einen Besuch abstattete, samt Frau und einer wachsenden Anzahl von Kindern. Deren Familienkutsche, ein dunkelgrüner Peugeot, ist übrigens eine meiner frühesten, weil exotischsten Kindheitserinnerungen. Denn selbst in den ersten paar Jahren nach dem Mauerfall sah man solche Wagen hier selten. Wie gesagt: Ich bin Dorfkind. Wir hatten einen Trabbi. Und ab '92 einen grauen Toyota.


Aber zurück zu den Verwandten aus dem Sauerland. Die und meine Eltern hatten, wie der Zufall es will, nahezu zeitgleich ihre ersten beiden Töchter in die Welt gesetzt, was praktisch war, denn so hatten meine Schwester und ich jeweils jemanden zum Spielen. Die Besuche dauerten in der Regel vier oder fünf Tage und waren immer von derselben Metamorphose gekennzeichnet: Am Anfang standen derbe Kommunikationsprobleme.


Auch wenn ich heute dem Sauerländer an sich ein ordentliches Deutsch zutraue, waren diese Laute mir damals fremd. Ich glaube sogar, es hätte keine Rolle gespielt, wäre die Verwandtschaft statt aus Balve aus Würzburg, Kiel oder Tübingen gekommen. Umgekehrt lief es natürlich keinen Deut besser, denn Sauerländer Kleinkinder werden selten mit sächsisch konfrontiert. Wir verständigten uns also zunächst mit Händen und Füßen und fanden uns im Crashkurs „Westdeutsch für Autodidakten“ wieder – bzw Ostdeutsch, im umgekehrten Fall. Nach zwei Tagen hatten wir das Prinzip begriffen und stritten schon beim Frühstück darüber, ob man „Das Nutella“ (Sauerland) oder „Die Nutella“ (Sachsen) sagt. Nach fünf Tagen war der Idenditätswechsel komplett. Meine Balver Urgroßcousine sprach sächsisch. Ich nicht mehr.

2 comments:

Anonymous said...

Als Wortbeispiel fällt mir dazu spontan der Tornister (sächs. Ranzen) ein.

Den Toyota hatten wir übrigens seit Sommer 90.

Anonymous said...

Der Mensch versucht sich anzupassen, um ja nicht allzu sehr aufzufallen. Dein Sprachproblem kann ich durchaus nachvollziehen, mir geht's da ähnlich. Allerdings ist da die eigene Auffassung etwas anders, als die Realität. Wärend man selbst glaubt, man würde nun den anderen Dialekt sprechen, können einen die anderen sofort als Sachse entlarven und ehrlich gesagt, will ich gar nicht wissen wie so eine Mischung aus Sächsich und anderem Dialekt klingt. Da können einem die Leute, mit denen man so redet, direkt Leid tun.