Wednesday, November 08, 2006

Selektive Wahrnehmung

Oder: Busfahren ist einfach nicht standesgemäß

Mit Busfahrplänen komm ich nicht klar. Mit U-Bahn-Plänen schon eher, denn Frau von Welt weilt hin und wieder in diversen Großstädten. Busfahren dagegen ist ein Privileg der Schulkinder, Arbeitslosen und Rentner. Zu der ersten Gruppe zähle ich seit 2004 nicht mehr, zu den letzten beiden möchte ich nie zählen. Deshalb bin ich auch seit zweieinhalb Jahren nicht mehr mit dieser Art von öffentlichem Verkehrsmittel unterwegs gewesen. Und das vorher waren nur Schulbusse. Die fuhren eine halbe Stunde, bevor die Schule anfing, los, und wenn die Schule zu Ende war, fuhren sie zurück. Das war nicht schwer und ich meinte auch, ich hätte es jetzt hinter mir, jetzt, wo ich nie wieder zu den Leuten gehören wollte, die Bus fahren. Mit betrunkenen Vollhonks rechnet ja keiner. Und wenn man dann autolos in einem Kaff wie Mittweida festsitzt und in einem Kaff wie Claußnitz Nachhilfeunterricht geben muss, kommt man an Busplänen nicht vorbei. Deshalb konnte ich sie dann, nach etwa halbstündiger Einarbeitung, doch interpretieren. Und den Bus theoretisch auch benutzen, was mich zum nächsten Problem bringt, der passenden Haltestelle.


Damit verhielt es sich so: Dinge, die man nicht braucht, blendet man einfach aus. Das nennt man selektive Wahrnehmung und die war zur Neandertalerzeit recht nützlich. Ich hab dieses Phänomen erst neulich gespürt, als ich zum ersten Mal überhaupt einen Briefkasten in Mittweida finden musste. Solang ich keinen brauchte, sind mir die blöden Dinger gar nicht aufgefallen. Also konnte ich jetzt nicht blind zum nächsten Postkasten laufen, sondern musste erst mal schauen, ob es hier überhaupt welche gibt. Bei Männern funktioniert selektive Wahrnehmung übrigens entweder gar nicht, oder sie sind übersensibel dafür, denn die finden die Butter im Kühlschrank selbst dann nicht, wenn sie danach suchen. Aber das ist ein anderes Thema. Zurück zum Bus. Um sicher zu gehen, dass ich den Mittweidaer Busbahnhof auch finde, musste ich auf die Karte schauen. Ohne Scheiß. Und das, obwohl ich schon tausendmal mit meinem Auto – der Schrottplatz hab es selig – dran vorbei gefahren war. Ohne ihn wahrzunehmen. Für die nächsten zwei Wochen bin ich jedenfalls auf den Bus angewiesen. Und danach kenn ich sicher jede popelige kleine Haltestelle in Mittweida.

1 comment:

Drachentöter said...

hach, kenne ich. mit den briefkästen ging es mir genauso. aber jetzt weiß ich, wo sich die gelben schlitz-mäuler verstecken.