Friday, December 29, 2006

Fremde Federn

„Meine Freundin Bine ist ja jetzt in Australien“, höre ich mich hin und wieder sagen. Eigentlich sag ich das immer, wenn das Gespräch auf Down Under im speziellen oder große Reisen im allgemeinen kommt. Dieser Satz klingt auch viel besser, als zuzugeben: „Ich war noch nie auf der Südhalbkugel, redet mal ohne mich weiter, ich hab zu dem Thema nichts beizutragen.“ Ich schiebe also Sabine vor und täusche damit darüber hinweg, dass ich selbst Europa noch nie verlassen habe und sich meine Auslandserfahrung vorerst auf die klassischen Urlaubsländer im Südwesten unseres Kontinents erstreckt. Okay, zwei Inseln waren auch dabei, und es waren nicht Mallorca und Ibiza. Das ist doch schon mal was. Bravo.


Nun ist es aber nicht das Thema Ausland an sich, was mich wurmt. Diesem Manko könnte ich ja einfach mit einer Reise nach Argentinien oder Kapstadt entgegenwirken. Wenn das Geld fehlt, könnte ich vielleicht auch eine erfinden. Nein, was ich vielmehr unterstellen will, ist: Wir alle schmücken uns mit fremden Federn. Denn: Wer viele Leute kennt, ist cool. Wer interessante Leute kennt, noch cooler. Und je enger die Freundschaft, desto besser: „Ich kenn da jemanden, der auch gerade in Australien ist“ klingt einfach scheiße. Deshalb ist es die beste Freundin, notfalls auch ein guter Kumpel, und im Idealfall der feste Freund.


Mit dem lässt es sich sowieso am besten angeben, das weiß ich spätestens seit der zehnten Klasse. Schon damals streute ich gern, wie mobil ich sei, da mein Freund ja ein Auto hat. Oder dass er morgen seinen 20. Geburtstag feiert. Oder längst studiert. Dass die Wortkonstruktion „mein Freund“ variabel anwendbar ist, stört ja niemanden. Problematischer wird diese Geschichte für Singles. „Mein Freund“ ist vielleicht variabel, aber dennoch nur im Falle von Monogamie anwendbar – so engstirnig und definitionsbesessen sind wir halt noch. Das wurmt die Singlefrau, die interessante Männer kennenlernt, aber nicht damit prahlen kann. Wie gesagt: „Ein Bekannter von mir...“ hört sich scheiße an. Über Affären spricht man nicht. „Fickbeziehung“ ist respektlos. Und jede andere Umschreibung zu erklärungsintensiv.


Die Lösung brachte mir der Zufall: Am Sonntag chauffierte ich einen netten Jura-Studenten von Bremen nach Leipzig, der mir folgende Wortschöpfung vor die Füße legte: Hauptfreund. Frei verwendbar für jede denkbare Art der offenen Beziehung, für alles zwischen bestem Freund und festem Freund. Außerdem großartig monogamiefeindlich, denn ein Hauptfreund impliziert Nebenfreunde. Wundert euch also nicht, wenn ich wieder mit protzen anfange. Schließlich spricht mein Nebenfreund fließend Spanisch. Und mein Hauptfreund ist Tennisprofi.

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