Friday, December 01, 2006

„Frau Reichert, Sie kochen jetzt Kakao!“

Der ich-war-jung-und-brauchte-das-Geld-deluxe-Post

Mieseste Nebenjobs bisher:
  • Zeitungen austragen (Hungerlohn und immer ranklotzen, egal, ob's stürmt, schneit oder 35 Grad im Schatten hat)
  • Verkäuferin auf dem Weihnachtsmarkt (bitterkalt und nach ein paar Tagen muss man diese gruselige Weihnachtsmusik zwanghaft mitsingen)
  • Telefonistin in einem unseriösen Callcenter (armen Leuten überteuerten Wein andrehen ist etwas, das ich zutiefst verabscheue. Nach drei Wochen hab ich geschmissen)
  • Kunden zählen in einem großen Einkaufscenter in Chemnitz (man steht sich die Beine in den Bauch und drückt ab und zu auf eine Zähluhr. Ähnlich wie in der Axe-Werbung, nur unglaublich öde)


Beste Nebenjobs bisher:

  • Interviews führen für die GfK
  • Supervisor im Mittweidaer Call Center
  • Mathenachhilfe geben
  • Schreiben, schreiben, schreiben – sofern ich mal dafür bezahlt werde. Kommt aber auch vor.


Nicht schlecht ist auch der Job, den ich seit vier Jahren immer kurz vor Weihnachten mache – so auch gestern, heute und morgen wieder. Im besagtem Einkaufscenter, in dem ich hin und wieder die Gäste zähle – nennen wir es Sachsen-Allee – darf ich die Kunden befragen. „Warum sind Sie heute hier?“ „Gefällt Ihnen das Modeangebot?“ „Kennen Sie unsere Centerzeitung?“ und so weiter. Dazu immer nett lächeln und repräsentativ aussehen. Da gibt es wirklich schlimmeres. Auffällig am heutigen Tage war, dass die Leute mich zumeist mit zwei Themen konfrontierten: Stolze Omas und Väter prahlten, dass ihr Kind bzw. Enkel heute mit der Kindergartengruppe da ist, um Weihnachtsbäume zu schmücken. Interessierte Bürger sprachen mich auf den Wechsel in der Chefetage an. Ich nickte und lächte fleißig, erklärte, wie toll das sei und wie recht sie hätten – unwissend, dass diese beiden Ereignisse meinen Job am heutigen Tage beeinflussen sollten.


Kurz vor 14 Uhr, ich machte grad Pause (Was ich an dem Job am liebsten mag: Man kann sich die Pausenzeiten frei einteilen. Man muss halt nur genug Fragebögen fertig bekommen) stellt sich plötzlich eine gewisse Geschäftigkeit in den Managementbüros ein. Leute in Anzügen und mit fremden Dialekten kommen mit Blumen vorbei und drängen in Richtung Konferenzraum – die High Society von Chemnitz, wie ich später erfahren sollte, sowie so ziemlich alle ranghohen Mitarbeiter des Einkaufscenters. Abschiedsparty für den Chef. Als ich mich von dem steigenden Geräuschpegel gerade vertreiben lassen wollte, kommt die gestresste Sekretärin auf mich zu: „Frau Reichert, wie viele Fragebögen haben Sie schon? Okay, dann können Sie da hinten erst mal für 'ne Stunde mithelfen. Sie wissen schon, den Leuten die Getränke nachschenken, Geschirr abräumen und so weiter.“ War das jetzt die Beförderung zur Chefkellnerin oder miese Aushilfenausbeute? Egal – ich bin dabei, bringt Abwechslung. So stelle ich also Blumen in Vasen, öffne Sektflaschen, wasche Gläser ab, räume Teller in die Spülmaschine. Als plötzlich eine andere Aushilfe die Küche betritt. Die, die sich um die weihnachtsbaumschmückenden Kinder kümmert. Die neue Kekse abholen will und neuen Kakao. Letzterer wurde im ganzen Abschiedsparty-Stress natürlich vergessen. Und deshalb hat Frau Reichert Kakao gekocht.


Übrigens zieht jetzt eine Frau in die Chefetage der Sachsen-Allee ein – Frau Kirschbaum. Kompetent wirkt sie trotzdem.

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